Eins-Sein mit Gott schafft Eins-Sein mit Christen

Christliches Einheitsstreben – exegetische Fehldiagnose?
Ich bitte für sie, dass sie alle eins seien – wie du Vater in mir bist und ich in dir“ Joh 17, 18-23

Einheit unter den Christen ist ein kostbares, wichtiges Gut. Kostbar ist es, weil das Einssein die Erlösten vor der Welt glaubwürdig macht. Wichtig ist es, weil Streit und Entzweiung die göttliche Autorität ihres Erlösers und der Bibel in Frage stellen. Als trauriges Beispiel dafür ist der aktuelle Konflikt über die biblischen Glaubens-Grundlagen unter den Evangelikalen zu nennen.

Einig sind sich alle Christen sicher darin, dass Jesus großen Wert auf ihr Einssein legt. Schließlich – so nimmt man durchweg an – hat er im Hohepriesterlichen Gebet, Joh.17, ja speziell darum gebetet.

Hierzu aber stellt sich uns die wichtige exegetische Frage nach dem bestmöglichem Urtext-Verständnis. Sie lautet:  Hatte Jesus in seinem Gebet wirklich unser Einssein untereinander im Blick? Oder meinte er damit etwas ganz anderes?

Konsequent exegetisch betrachtet richtet Jesus seine Bitte um das Einssein gar nicht an seine Nachfolger, sondern an seinen himmlischen Vater. Demnach handelt es sich hier nicht um eine Forderung Jesu an uns Christen. Solch ein gesetzliches Verständnis des Einsseins untereinander würde uns alle sowieso überfordern. 

Glücklicherweise entdecken wir im exakten Wortlaut der Fürbitte Jesu nichts, was unsere Beziehung zueinander betrifft. Es geht ihm vielmehr um seine eigene Beziehung zum himmlischen Vater. Diese hat er in gleicher Qualität und Intensität auch für seine wahren Jünger erbeten. Wir entdecken daher auch keinen erhobenen Zeigefinger mit dem Hinweis auf schlimme Folgen, etwa einer ausbleibenden Erweckung als Folge von Streit. Das anzunehmen, wäre eine gesetzliche und wenig hilfreiche Einheits-Sicht. Dabei geht man nämlich davon aus, dass Christen – wenn sie nur wollten – ihre Einigkeit in eigener Kraft – und daher als eigene Leistung – herbeiführen könnten.

JA! Jesus richtet seine Bitte, „damit sie alle eins seien“, nicht an Menschen, sondern an Gott. Und er hat– man höre und staune – damit noch Größeres im Blick als „nur“ die Einheit unter uns Christen. Es geht Jesus um das Geschenk des völligen Einsseins aller Christen mit Gott.  Zusätzlich jedoch – also inklusiv – sollen sie damit auch die nötige Basis für das Einssein untereinander empfangen.

 Bei diesem großartigen Geschenk handelt es sich um das Einssein mit dem himmlischen Vater, wie es Jesus selbst hier auf Erden erlebte und pflegte. Diese optimale Beziehungsqualität mit Gott ist es also, die Jesus seinen Nachfolgern bis heute wünscht und erbittet.
Schon in Vers 11 umschreibt er dieses grandiose Anliegen mit den Worten: „dass sie eins seien – wie wir“. Und er konkretisiert seinen Wunsch nach dieser Herzenseinheit mit Gott, indem er betet: „…damit sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir bist und ich in dir…“ (V.21). Jesus wusste, dass Christen dadurch befähigt werden, eins untereinander zu sein und einander – wie er es tat – trotz ihrer „Macken“ zu lieben. Die vorhandene Bruderliebe soll also ein Merkmal der vorhandenen Gottesbeziehung sein – und zwar auch innerhalb verschiedener Konfessionen.

 Aber auch deshalb hat Jesus das Einssein mit Gott, unserem Vater, erbeten: „damit die Liebe mit der du, Vater, mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen“, so betete er (V.26). Und sein Gebet erfüllte sich erstmals bei der Geistesausgießung zu Pfingsten. Wichtig ist, dieses Einssein mit Gott durch Versammlungsbesuch, tägliches Bebellesen und Gebet treu zu praktizieren, Dadurch wird seine göttliche Liebe, diedie Bruderliebe enthält, täglich neu in unser Herz „ausgegossen“.

Herzensgemeinschaft mit Gott – eine neue Erlebnis-Dimension

Jesu Gebet um unsere optimale Gemeinschaft mit dem heiligen Gott mag uns erstaunlich erscheinen. In der Tat erbittet Jesus seinen Jüngern damit eine neue Erlebnis-Dimension. Diese direkte Vater- Beziehung erschließt ihnen einen Erlebnis-Horizont, den sie bisher noch nicht kannten:
In der bewussten Gemeinschaft mit Gott empfangen sie schon hier auf Erden die Früchte der himmlischen Welt und damit des ewigen Lebens. Diese erstaunliche Tatsache definiert Jesus zu Beginn seines Hohepriesterlichen Gebetes mit den Worten: „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, e r k e n n e n“ (V.3).

Ralf Luther umschreibt in seinem Neutestamentlichen Wörterbuch das „Gott Erkennen“ wie folgt: „Gemeint ist ein ‚Erkennen’, wie es aufleuchtet zwischen zwei Menschen, die plötzlich dessen innewerden, dass sie füreinander bestimmt sind. Solch ein Erkennen ruft eine Erschütterung aller Lebenstiefen, ein Ergriffensein des ganzen Menschen hervor… Es kommt zu einer ungeahnten Bereicherung des Lebens.

Gibt es so etwas schon zwischen zwei Menschen, wie erst dann, wenn ein Mensch von der Gottheit berührt wird und seine Gegenwart urgewaltig über ihn kommt… Hier strömt etwas auf ihn über, hier ist ihm ein Reichtum geschenkt, der alle Schranken seines bisherigen Daseins aufhebt“.

Die Qualitäten der Herzensgemeinschaft mit Gott

Die von Jesus für alle Glaubenden erbetene und erkämpfte Gottesbeziehung optimiert unsere Lebensqualität elementar. Wer sich damit beschenken lässt, weiß und fühlt sich zu Recht als „von neuem geboren“ (Jo 3,3). Die himmlische Erlebnis-Dimension ermöglicht es ihm, sich im irdischen Umfeld „himmlisch“, d. h. von Gott her zu orientieren und zu verhalten. Er lebt und agiert – wie zunächst nur Jesus als Urbild des ‚neuen Menschen’ – zugleich in zwei Welten:
In seinem aktivem Bewusstsein konnte Jesus je nach Situation und Bedarf zwischen den Welt-Arten wechseln. Er bewegte sich gleichzeitig in der himmlischen und der irdischen, der geistlichen und der materiellen, der sichtbaren und der unsichtbaren Dimension.

Diese Daseins-Qualität ist mit der von Jesus für Christen erbetenen und teuer erkauften Gottes-Gemeinschaft kompatibel und seit Golgatha empfangsbereit. Allerdings ist sie zunächst wie bei Jesus begrenzt auf unseren irdisch-leiblichen Daseins-Rahmen. Das ist allerdings schon gewaltig. Es bedeutet: Gott ist jedem Wiedergeborenen niemals fern, sondern stets und überall nahe, und zwar „in ihm“ (Gal.2,20. Er wohnt nicht mehr nur im Himmel oder „in Tempeln, von Menschen gemacht“ (Apg 17,24). Nein, Gott thront und spricht, leitet und ermutigt durch den Heiligen Geist im Herzen bzw. im Geist aller Christen.

Geschenkte Gottesbeziehung verpflichtet

Jesus fordert unser Eins-Sein also nicht als Vorleistung, sondern ermöglicht es durch sein Kreuzestod, seine Auferstehung und sein Gebet. Folglich ist beides Gottes freies Gnadengeschenk. Er erwartet jedoch, dass wir sein Angebot annehmen und danach handeln.

Wenn es demnach am Einssein untereinander fehlt, dann sollten wir – statt uns zu beschuldigen – unsere Liebesbeziehung im Einssein mit Gott überprüfen, um neue Prioritäten setzen.

Hinweis:  Weitere Aspekte über die erstaunlichen Auswirkungen der geschenkten Beziehungsqualität mit Gott ist ergänzend im nächsten Biblipedia-Beitrag zu lesen oder als E-Mail-Beilage erhältlich, und zwar unter:
www. herbert.masuch@ewetel.net Gott segne Sie!


„ICH BIN MIT CHRISTUS GESTORBEN!“- Das gehört zum unaufgebbaren Kern evangelikaler Erlösungsbotschaft!

Harmlose Krimis?   Rö 6,6.11

Nach längerer Zeit komme ich in das Haus einer mir bekannten Familie. Im Wohnzimmer ist das Fernsehgerät eingeschaltet und nach einer kurzen Begrüßung sitze auch ich vor dem Bildschirm. Schon nach wenigen Minuten widert mich die Atmosphäre des Krimis an. Ich möchte hinausgehen, tue es aber nicht aus Höflich­keitsgründen.

Dann fließt auch schon Blut. Kalt und brutal wird ein Mensch niedergeschossen. Während er dort sterbend liegt, wenden sich die Mörder ungerührt einer Belanglosigkeit zu. Ich erschrecke, denn ebenso gleichmütig ‑ ohne einen Protest oder eine Abscheubekundung ‑ wird dieses kriminelle Verhalten einfach mit konsumiert.

Mir wird deutlich, dass ein Krimi mehr als bloße Unterhaltung oder Zeitvertreib ist. Hier kann man Lustbefriedigung finden, seelisches Ergötzen am Mord, an der Sünde. Gleichzeitig wird der Mensch un­bemerkt zum Bösen hin manipuliert. Als Krimikonsumenten billigen wir das brutale Geschehen, ja wir identifizieren uns damit. Dadurch aber haben wir Anteil an Taten, die Gott verabscheut und hasst. Mir wird die Bedeutung des Wortes Christi klar: „Aus dem Herzen des Menschen kommt … Mord“ (Mk 7,21). Weil die Mordlust im Menschen steckt und befriedigt sein möchte, darum liefert allein das bundesdeutsche Fernsehen mehr als fünfzig Fernsehleichen wöchent­lich frei Haus.

Gottes Geist macht mir klar, dass ich mich in diesem Falle so­fort zu verabschieden habe. Ich tue dies, weil es mir unmöglich ist, meine Augen und meine Phantasie dieser feinmaschigen Umgarnung durch die Sünde zu überlassen. Ich habe mich in der Bekehrung nicht nur für Christus, sondern gleichzeitig gegen jeglichen Flirt mit der Sünde entschieden. Ich lebe wohl noch in dieser Welt. Für die Sünde aber bin ich ‑ wie Paulus es sagt ‑ mit Christus gestorben (Rö 6,11).

Macht und Einfluss des Bösen ernst nehmen

Mit diesem Erlebnis befinden wir uns bereits mitten im heutigen Thema. Darin ist vom Stand des „neuen Menschen“, also des wieder­geborenen Christen die Rede. Geradezu klassisch formuliert Paulus die neue Einstellung und damit den Stand des Jüngers Jesu der Sünde gegenüber. Er sagt: „Also auch ihr, haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebet Gott in Christo Jesu“ (6, 11).

Wir wollen beachten, dass nicht die Sünde beseitigt wurde. Der Apo­stel betont, dass „wir der Sünde gestorben“ sind und uns entspre­chend verhalten können und sollen.

Die Sünde dagegen existiert weiter. Sie lebt. Diese Feststellung ist wichtig, damit wir zu einer sachlichen Glaubensbasis gelangen. Die Annahme nämlich, dass die Sünde in ihrer Kraft gebrochen oder gar beseitigt wäre, ist absolut unrealistisch. Weder die Bibel noch die Alltagserfahrung bestätigen dies. Es bedarf daher einer näheren Erklärung, wenn man die allge­mein bekannte Redewendung gebraucht: Jesus Christus hat am Kreuz die Sünde besiegt! Das trifft wohl zu auf die Sünde als Schuld. Diese ist durch Christi Sühnopfer abgetan und beseitigt. Die Anwesenheit und Macht der Sünde aber bestehen fort bis zur Wiederkunft Christi. Erst dann werden ihr Reich und ihre Herrschaft völlig beendet.

Vergeblich wird der bekehrte Mensch daher nach einer Art Robinson Insel“ ausschauen, wo es keine Konfrontation mit der Sünde mehr gibt. Überall wird sie stattdessen ihre Fangarme nach uns ausstrecken, um uns erstmals oder erneut zu beherrschen: Wenn wir den Fernseher einschalten, wird sie uns mit erotisierter Werbung zu umgarnen suchen. Wenn wir auf die Straße treten, wird sie uns durch Sexy-Plakate frech überfallen. Am Arbeitsplatz und im Existenzkampf wird sie uns ihre bedenklichen Erfolgsmethoden anpreisen und bei der Begegnung der Ge­schlechter umschmeichelt sie uns mit ihrer schamlosen Freiheitsmoral. Ganz zu schweigen von den auch für Kinder sofort  erreichbaren Porno-Lust-Angeboten. Wir werden sie weder reduzieren noch beseitigen können. Die Sünde ist und bleibt uns so nahe, wie die Luft, die wir atmen.

Mit Christus für die Sünde gestorben

Dennoch gibt es eine wirksame Möglichkeit, uns ihr zu entziehen. Es ist das Kreuz Jesu Christi. Wir können mit Christus eins werden auf Golgatha. Wir können mit Christus sterben. Die Bibel erwartet sogar, dass wir diese Stellung als „Mitgekreuzigte“ konsequent einnehmen. Wir werden auf­gefordert, uns dem Anspruch der Sünde gegenüber wie Tote zu ver­halten (Rö 6,11).

Ein Toter wird weder auf Verlockungen noch auf Dro­hungen reagieren. Er bleibt durch den Tod jedem Anspruch von außen tabu. Auf Grund dieser wunderbaren Möglichkeit heißt es in Vers 12: „So lasset nun die Sünde nicht mehr herrschen in eurem sterblichen Lei­be, um ihr Gehorsam zu leisten“, und im nächsten Vers schreibt Paulus: „Begebet nicht der Sünde eure Glieder zu Werkzeugen der Un­gerechtigkeit“.                                                                                                                         

Indem wir dazu aufgefordert werden, macht Paulus deutlich, dass wir uns für diese Stellung bewusst entscheiden müssen. Es geht eben nicht ohne unser radikales „Nein“ im Blick auf die Sünde. Dadurch erst sprechen wir das eigentliche „Ja“ zum Kreuz Jesu Christi. Es ist wohl wich­tig, wenn wir glauben und bekennen: Dort starb Christus für mich am Kreuz. Der nächste Glaubensschritt aber führt uns zu dem Bekenntnis: Ich starb mit Christus am Kreuz. Ich bin tot für die Sünde.

An dieser Stelle wird offenbar, dass das Kreuz im Grunde eine Her­ausforderung ist. Es predigt uns den radikalen Bruch mit jeder er­kannten Sünde. Folglich ist mein und dein „alter Mensch“ am Kreuz mit Christus verur­teilt worden. Er hat über uns keine Verfügungs-Berechtigung mehr. Wer das Kreuz bejaht, der unterschreibt das Todesurteil für seinen „alten, Sünde liebenden Menschen“.

Was ist der „Alte Mensch“?

Lassen Sie uns nun näher untersuchen, was die Bibel unter dem Be­griff „alter Mensch“ oder auch „natürlicher Mensch“ versteht. Sicher wird nicht von uns erwartet, dass wir uns wie Christus leiblich kreu­zigen lassen. Es ist vielmehr unsere Einstellung der Sünde gegenüber gemeint. Vor dem Sündenfall war die Anwesenheit Satans und des Bösen im Paradies durchaus möglich, ohne dem Menschen zu schaden. Entscheidend war seine klare Distanzierung gegenüber der Sünde.

Bei dieser Grundhal­tung waren Satan und Sünde machtlos. Dann aber begann der Mensch mit der Sünde zu sympathisieren. Aus dem konsequenten „Nein` wurde ein „Vielleicht“ und schließlich ein „Ja“.

In diesem Augenblick war die Gesinnung des „alten Menschen“ geboren. Adam war einverstanden mit dem Einfluss des Bösen. Er tolerierte die Sünde. Er entschuldigte und beschönigte sie. Er begann die Sünde zu lieben.

Diese Adamsgesinnung ist auch Ihnen, lieber Leser, nicht fremd. Da haben wir zum Beispiel jemand durch unsere Worte verletzt. Wie schwer fällt es uns, um Verzeihung zu bitten und uns damit vom Bösen zu distanzieren. Wir schweigen nicht nur, son­dern suchen oft genug für das Böse mildernde Rechtfertigungsgründe. Damit aber tolerieren wir es. Oder wir haben aus Versehen eine Unwahrheit oder Halb­wahrheit weitergesagt. Doch statt uns durch ein Bekenntnis auf die Seite der Wahrheit zu stellen, halten wir es oft erstaunlich lange mit der belastenden Unwahrheit aus. Ich könnte fortfahren, Situationen zu schildern, wo wir in adamitischer Gesinnung mit der Sünde paktie­ren.

Über diese Gesinnung hat Gott am Kreuz und durch das Kreuz das To­desurteil gesprochen. Wer somit das Kreuz Jesu bejaht, der be­kundet damit: Auch in mir steckt die Adamsgesinnung. Auch in mir steckt die Liebe zur Sünde. Darum gehört auch mein „alter Mensch“ mit Christus ans Kreuz.

 (Diese Lehreinheit ist ein Auszug aus dem Buchmanuskript: „Dynamisches Christsein“ von Herbert Masuch  – 153 S. – kostenlos als Studieneinheit abrufbar  bei der „Online-Glaubens-Akademie“)

Was nun? Parzanys Buße-Impuls: Lichtblick im Tunnel!

Ulrich Parzanys Buße-Impuls- Lichtblick im Tunnel! :

Die angemessene Antwort (auf die Frage: „Was nun?“) kann nur eine Bußbewegung zur Erneuerung der Gemeinden sein“. Diesen beherzten Satz in der „Zwischenbilanz“ von Ulrich Parzany zu lesen, ermutigte mich. Ich bejahe seine Sicht und möchte sie durch meinen geschichtlich relevanten Buß-Apell: „Gott wartet auf Buße“ (1998) sowie durch Gebet unterstützen.  Herbert Masuch

Gold-Ehepaar empfiehlt Ehe zu dritt

(Offener Brief)  Sehr geehrter Herr Amtsdirektor von Brück!
Sie haben uns vor einiger Zeit zu unserem 55. Ehejubiläum gratuliert. Dafür möchten wir uns als relativ neue Bürger Ihrer Gemeinde herzlich bedanken. Auf dem Foto sehen wir zwar noch etwas jünger aus als jetzt – sind aber noch genauso glücklich. Ein Grund dafür ist der, dass wir uns im neuen “Heide-Ort” gut eingelebt und die hiesigen Mitmenschen ins Herz geschlossen haben. Der Hauptgrund aber, der unser Glück stabilisiert hat, ist folgender:  
Wir führen unsere Ehe zu dritt! 
Meine Frau und ich sind zwei ausgeprägte Egos. Aber zwischen uns beiden gibt es eine großartige Beziehungsperson, nämlich Gott als unseren himmlischen Vater: Das sieht etwa so aus:   Ego 1 <GOTT> Ego 2, Und das klappt wunderbar!  GOTT ist der “himmlische Kitt” in unserer Ehe: Gibt es Probleme zwischen uns Egos, so geben wir diese – zumeist miteinander – im Gebet bei Gott ab. Und dort finden wir immer Verständnis, Geborgenheit, neue Liebe und vieles mehr. Manchmal werden wir jedoch auch von Gott, als unserem Herrn, korrigiert. Aber zugleich empfangen wir die nötige Kraft, entsprechend zu handeln. Somit dient auch Gottes Erziehung uns letztlich zum Guten.
Und wie man diesen liebenden und erziehenden Gott zunächst ins Herz und dann in die Ehe bekommt?
Kein Problem! Er selbst steht ja schon vor der Herzens-Tür und klopft an. Wie sein Anklopfen und unser Öffnen vor sich geht, das haben Gretel und ich in dem Büchlein “Schritte zur Freudegraphisch dargestellt und verständlich erklärt. Und dieses Büchlein senden wir Ihnen, lieber Leser, gern kostenlos zu.
Es wäre toll, wenn Sie und auch Ihr (Ehe) Partner auf diesen Wegweiser neugierig würden. Sie entdecken darin, wie es möglich ist, Gott zum Mittelpunkt Ihrer Liebesbeziehung zu machen. Das wären dann Ihre ersten Schritte zu einer glücklichen Ehe zu dritt. Zugleich führen diese bewussten Schritte Sie zum ewigen Glück des Friedens mit Gott durch Jesus Christus.
Gretel & Herbert Masuch   –  Am Finkenhain 66, 14822 Borkheide – Mail: herbert.masuch@ewetel.net

„Babylonische Gefangenschaft“ evangelikaler Christen?

Alternative zum Resümee des DEA-Symposiums in Bad Blankenburg (von Herbert Masuch)

Der Bericht darüber von Markus Till und die gemeinsame Verlautbarung der DEA hören sich recht positiv an. Anderer Meinung sind einige Kommentatoren. Den persönlichen Standpunkt dazu enthält mein Buchmanuskript „Von der Babylonischen Gefangenschaft evangelikaler Christen“. Das Manuskript haben evangelikale Verlage schon vor Jahren erhalten, aber leider bislang nicht publiziert. Inzwischen hat die evangelikale Entwicklung den Buchinhalt zunehmend aktualisiert und bestätigt. Im Schlussteil des Buchmanuskriptes ist als „ermutigender Heimkehr-Impuls“ ein „Bilanz-Gespräch einsichtiger Juden und Christen“ enthalten.
Dieses Gespräch füge ich hier mit der Anfrage hinzu, ob Sie seinem Inhalt angesichts der akuten evangelikalen Grundsatz-Differenzen zustimmen könnten?
 
Das Bilanz-Gespäch:
„Als emotionalen Ausklang des hierzulande sehr aktuellen Buchthemas wollen wir dieses Bilanzgespräch an den Wassern von Babel auf uns wirken lassen. Der herzbewegende Austausch einiger Gefangener lässt uns die tragischen Folgen der Babylonischen Gefangenschaft hautnah miterleben. Die Gesprächsszenen enthalteneine mahnende Symbolik für Exils gefährdete Christen.

Gottes Volk im Exil
Vergleichsbasis für das Evangelikal- Babylonische ExilDer Prophet Jeremia schildert in seinen Klageliedern eindrucksvoll, wohin es führt, wenn wir Gott beleidigen oder gar verlassen. Daher tun wir gut daran, uns jetzt einmal nach Babylon zu begeben. Wir wollen dort die trostlose Situation des versklavten Volkes Gottes näher kennenlernen. Dabei behalten wir im Auge, dass auch das neutestamentliche Gottesvolk, also die Gemeinde Jesu Christi, geistlich gesehen mancherorts in eine Babylonische Gefangenschaft geraten kann – oder schon ist -. Lassen Sie uns aus dem Elend der Exiljuden lernen, was es bedeuten würde, wenn wir Christen uns im geistlichen Exil befänden.
Ich lade Sie ein, sich jetzt mit mir zu einer Gruppe weinender Juden zu setzen. Es sind die Überlebenden des qualvollen Fußmarsches von Judäa nach Babylon. Während der ersten Monate im fremden Land ist ihnen die Härte ihres Gefangenendaseins so recht deutlich geworden. Sie haben ihre Harfen an die Weiden gehängt, die „an den Wassern zu Babel“ üppig wachsen. Anstatt froh zu singen, schluchzen sie, wenn sie an ihre weit entfernte Heimat, an Zion, denken (Ps 137,1-2).

Während wir uns leise zu ihnen setzen, werden wir selbst von ihrer Traurigkeit tief berührt. Dann aber fragen wir in die deprimierte Stimmung hinein:
Was sie denn in ihrer Gefangenschaft als besonders schmerzlich empfinden:

1. Der Verlust des Gelobten Landes Kanaan [1]
Nach längerem Schweigen ergreift ein weißhaariger Mann das Wort und sagt wehmütig: „Der Verlust des Gelobten Landes quält mich am meisten. Es war ein Land, darin Milch und Honig fließen, ein Land der Segnungen Gottes. Es fehlte uns an nichts. Wie oft haben wir uns am wohlschmeckenden Brot des Landes gestärkt. Es war Brot des Lebens für uns. Und hier in Babylon? Hier kauen wir an den Abfällen unserer Feinde herum. Wir begehren uns an dem zu sättigen, was die Schweine fressen. Aber niemand gibt es uns. Wir sind am Verhungern“.

„Und wie herrlich war es, sich am kristallklaren Wasser der Quellen Kanaans zu erquicken“, fährt ein jüngerer, unglücklich dreinschauender Jude fort. „Es war Wasser des Lebens für uns. Wir fühlten uns geborgen in Kanaan. Wir lebten in Frieden. Und jetzt? Die vielen Wasser Babylons sind bitter, faul, ungenießbar. Wir drängen uns mit unseren Schöpfgefäßen an löchrigen Brunnen, die doch rissig sind und kein Wasser geben“ (Jer 2,13).

„Was uns vom Gelobten Land geblieben ist, ist die Erinnerung“, ergreift der Weißhaarige wieder seufzend das Wort. „Aber zwischen Kanaan und uns liegen nun Welten. Wir sind sehr weit – unerreichbar weit von Zion und seinem Wohlstand entfernt. Wir haben, sage und schreibe, alles Gute, was wir einmal besaßen, verloren (Offb 3,17). Darum weinen wir, wenn wir an Zion denken“.
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Christen, die ihr geistliches Kanaan verloren haben, und sich im Babylon dieser Welt ihren Lebensdurst zu stillen versuchen, wird es genauso ergehen…

2. Der Verlust der Gegenwart Gottes

„Der Verlust der Gegenwart Gottes bekümmert mich noch viel tiefer“, äußert sich ein etwas abseits sitzender Mann mit zerzaustem Bart. „Ich bin Priester gewesen und habe Gottes Nähe während der Anbetung im Heiligtum oft verspürt. Mehrmals habe ich im Amt des Hohepriesters sogar ins Allerheiligste eintreten und Gott ganz nahe sein dürfen. Ich sage euch: Etwas Größeres und Heiligeres und Kostbareres als in der Gegenwart des Allerhöchsten zu sein, gibt es nicht“.
Während er bewegten Herzens schweigt, fließen Tränen in seinen aus Trauer zerrauften Bart. „Und jetzt?“, schluchzt er; „das Haus des Herrn ist verbrannt… Die Gesetzestafeln sind zertrümmert. In Babylon haben wir kein Allerheiligstes mehr. Keinem von uns ist es möglich, sich Gott noch zu nahen; niemand kann hier vor sein Angesicht treten. Wir haben das Allerkostbarste, die Gegenwart Gottes, verloren. Geblieben ist uns nur die Wehmut, die Erinnerung und… dieses schwache, symbolische Zeichen“.
Tief ergriffen erhebt sich der Priester von der Erde. Dann wendet er sich in Richtung Jerusalem, der heiligen Stadt. Während alle gespannt auf ihn blicken, neigt er sein ergrautes Haupt ehrfurchtsvoll bis an den Boden. Das tut er dreimal. Dabei murmelt er jedes Mal vor sich hin: „Du Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, du Gott Israels, erbarme dich unser“.

Danach blickt er um sich und ruft entschlossen: „Meine Brüder, tut es ebenso. Gott ist zwar ferne von uns. Doch wenn ihr beten wollt, dann wendet euch in Richtung Jerusalem und…“ Seine Stimme erstickt schier vor Schmerz. „Nein, wir haben keinen Tempel und kein Allerheiligstes mehr“, stammelt er. „Aber tut es dennoch, Brüder! Verneigt euch davor. Eure Handlung wird euch und alle, die es sehen, daran erinnern, was wir verloren haben, was wir einmal besaßen“.
Da kommt Bewegung in die Runde der vor sich hin grübelnden Juden. Einer nach dem anderen erhebt sich vom Boden. Und dann verneigen sie sich alle zugleich tief und ehrfürchtig in Richtung Jerusalem – einmal – zweimal – dreimal und immer wieder und wieder.
Plötzlich ertönt eine schroffe Stimme aus dem Hintergrund: „Sehr eindrucksvoll, euer Zeremoniell, ihr Ausländer“, ruft ein Babylonischer Aufseher, der sie beobachtet hatte. „Macht nur weiter so. Aber nehmt jetzt die Harfen von den Weiden und singt uns einige eurer schönen Tempellieder und … werdet fröhlich dabei“. Alle schweigen. Dann antwortet der ehemalige Priester mit zitternder Stimme: „Wie können wir in unserem Heulen fröhlich sein. Und wie können wir des Herrn Lied singen in fremdem Lande! (Ps 137,3-6).

Alle Gefäße, die wir im Gottesdienst zu gebrauchen pflegten, habt ihr hierhergebracht und in das Haus eurer Götter geschleppt. Aus ihnen berauschen sich eure Vornehmen bei ihren Götzenfesten“. Feierlich verneigt er sich noch einmal gen Jerusalem und sagt dann wie zu sich selbst: „Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte. Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht Jerusalem lasse meine höchste Freude sein“ (Ps 137,3-6).
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Christen im geistlichen Babylon werden solches im übertragenen Sinn ganz ähnlich erleben… Da gibt es etliche, die etwa in einem Großzelt mit Billy Graham zu Jesus fanden. Beim Ruf nach vorne unter den Liedklängen „So wie ich bin, so muss es sein; nicht meine Kraft, nur Du allein…“ hatte der Heilige Geist sie zutiefst ergriffen und mit Heilsgewissheit beschenkt. Auch in ihrer Gemeinde war der frohe, erweckliche Geist zunächst noch zu spüren. Aber dann erlebten sie manches vergebliche Ringen mit eigenen Schwächen und Sünden. Es gab ein Fallen und Wiederaufstehen, aber auch die ungestillte Sehnsucht nach Sieg. Doch in der Gemeinde wurde zwar die Vergebungsgnade, aber selten oder nie die Sieges- und Überwindergnade durch Christus in uns bezeugt. Beim Heiligungsstreben in eigener Kraft gelangten sie dann fast unmerklich in die „Babylonische Gefangenschaft“ evangelikaler Christen. Statt „mit Freuden vom Sieg“ durch die Überwindergnade werden hier häufig Klagelieder über das eigene Versagen gesungen. 

3. Der Verlust der Freiheit
„Der Verlust der Freiheit lässt mich schier verzweifeln!“, ruft ein kräftig aussehender junger Jude impulsiv aus. Alle schauen scheu zum babylonischen Aufseher hin. „Setzt euch nur wieder“, beschwichtigt dieser überlegen lächelnd, „ich höre euch gern zu. Morgen beim Sonnenaufgang geht’s wieder rund. Dann werdet ihr Ziegelsteine schleppen. Das Ischtar-Tor und die Hängenden Gärten am Königspalast müssen endlich fertig werden. Aber jetzt sprecht weiter. Ganz ungeniert. Ich verrate euch nicht“.
Der Aufseher tritt in ihren Kreis und setzt sich als erster. Nur der junge Jude bleibt noch stehen und spricht den Babylonier an: „Es ist mir unerträglich, euch wie ein Sklave gehorchen zu müssen. Im Gelobten Land war ich frei. Niemand wollte und durfte mich zu etwas zwingen – nicht einmal Gott. Ich konnte ihm freiwillig dienen. Und jetzt!?“ schreit er förmlich auf. „Ich möchte lieber tot sein als leben. Ich bin Tyrannen ausgeliefert. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich – das muss ich tun! Unser jüdisches Gesetz erwartet zwar von mir, das Gute zu tun. Aber ihr zwingt mich, das Böse zu tun. Das Wollen zum Guten habe ich wohl, aber hier – in Babylon – bin ich euer Sklave. Ich elender Mensch, wer wird mich aus dieser Knechtschaft erlösen?“ (Rö 7,14-24).

Während er seine Hände verzweifelt gen Himmel streckt, erhebt sich wieder der Priester. Mit gesenktem Haupt und geschlossenen Augen klagt er laut: „Schwer ist das Joch meiner Sünden. Sie sind mir auf den Hals gekommen, so dass mir alle meine Kraft vergangen ist. Der Herr hat mich in die Gewalt derer gegeben, gegen die ich nicht aufkommen kann… Mit dem Joch auf dem Hals treibt man uns… Knechte herrschen über uns, und niemand ist da, der uns von ihrer Hand errettet “ (Klgl 1,14; 5,5.8.13) [i].

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Bereits bei Christen im geistlichen Ausstand hört man Klagelieder über die Diktatur der Sünde. Sie leiden darunter, dass sie von ihren Leidenschaften beherrscht werden. Sie sehnen sich nach Freiheit, werden aber dauernd gezwungen, Böses zu tun. Im Römerbrief, Kapitel 7, finden sie ihren Sklavenzustand treffend beschrieben. Wie die Juden in Babylon sehen sie keinen Weg, wie sie frei werden können. Die fremde Macht – Böses, Versuchung, Sünde – ist ihnen zu stark. Darum haben sie sich damit abgefunden, Besiegte und nicht Sieger zu sein. Sie hoffen auf eine weit entfernte Zeit, in der sie wieder frei werden – nämlich im Himmel.

 4. Der Verlust der Identität

„Der Verlust meiner Identität ist für mich noch schwerer als das zu ertragen“, meldet sich ein anderer Jude zu Wort. „Ich war Diener im Hause unseres Königs Zedekia. Mit Freuden habe ich seine Befehle entgegengenommen und ausgeführt. Es war unser König – mein König -, darum habe ich seine Autorität gern akzeptiert. Glaubt mir, es war für mich beruhigend, zur rechten Zeit das Rechte gesagt zu bekommen. So wusste ich stets, was ich zu tun hatte. Ich identifizierte mich mit seinen Anordnungen. Meines Königs Autorität verlieh mir meine persönliche Identität. Nicht wahr, Brüder, ihr stimmt mir zu: Israel braucht einen König, einen Führer. Es braucht Ordnungen und Befehle, um ein Volk zu sein, um überleben zu können.“
Der königliche Diener hatte sich in Eifer geredet. Daran, dass alle nickten, merkte er, dass sie ihm zustimmten. Das ermutigte ihn, weiter zu sprechen: „Aus diesem Grunde standen in Jerusalem das Königshaus und das Haus Gottes dicht beieinander“, kam ihm der Priester jedoch zuvor. „Dadurch wurde deutlich, dass die Herrschaft Gottes und die Herrschaft des Königs zusammengehörten. Grundsätzlich war Israels Regierungsstruktur eine theokratische. Gott hat seinem Volk zwar Könige gegeben, doch waren diese beauftragt, nach seinem Recht zu regieren und auf seine Grundsätze zu achten.“
„Du sprichst die Wahrheit, Bruder“, rief der Diener erregt. Dann sprang er auf und schrie es über den Fluss: „Und heute? Israel hat keinen König mehr. Sein Thron ist zerbrochen. Sein Palast ist verbrannt. ‘Die Tore unserer Königsstadt sind tief in die Erde gesunken. Gott hat ihre Riegel zerbrochen und zunichte gemacht. Ihr König und ihre Fürsten sind unter den Heiden, wo sie das Gesetz nicht ausüben können… Der Gesalbte des Herrn, der unser Lebensodem war, ist gefangen worden in ihren Gruben; wir aber dachten: In seinem Schatten wollen wir leben unter den Völkern’“ (Klgl 2,9; 4,20).

„Ja, es gibt ihn noch – unseren König“, murmelt der Diener vor sich hin. „Doch auch er ist nicht frei. Es erging ihm schlimmer als uns. Man hat ihm beide Augen ausgestochen (Jer 52,11). Als Blinden hat man ihn hierher nach Babel geführt. Er befindet sich zwar noch in einem Königspalast. Doch fungiert er als Siegestrophäe des Königs von Babel – unterdrückt, entehrt, entrechtet. Israel hat keinen Mittelpunkt, keine Autorität, keinen Führer mehr. Sein König ist eine Marionette. Israel ist kein Volk mehr. Wer sind wir denn noch, Brüder? Wir haben unsere Identität, unsere Würde verloren!“

Vehement greift der herrenlose Diener nach einem verdorrt liegenden Weidenstock und wirft ihn weit in den Fluss. „Ohne herrschfähigen König gleichen wir diesem Holzstück, Brüder! Steuerlos, ziellos, sinnlos treiben wir dahin – der babylonischen Strömung ausgeliefert. Leben wir eigentlich noch? Sind wir noch Gottes Volk? Sind wir nicht ohne unseren König schon tot?

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Christen, die sich in der babylonischen Gefangenschaft befinden, verlieren ihre Identität mit ihrem inneren Menschen. Wir erwähnten bereits, dass unser Ich im Reich der menschlichen Persönlichkeit gleichsam königliche Kompetenzen besitzt. Wie von einem Königsthron entscheidet es, was im Bereich seines Leibes, der Seele und des Geistes geschieht. Um richtig regieren zu können, ist das Ich jedoch – genauso wie die Könige Israels – auf das elementare Grundgesetz Gottes angewiesen. Daran kann es sich in allen Rechtsfragen seines eigenen Königreiches orientieren. In der babylonischen Gefangenschaft hat das menschliche Ich seine Verbindung mit Gott jedoch verloren. Der Tempel der Nähe Gottes ist verbrannt und zerstört. Es wird nicht mehr von Gottes Regierungsprinzipien geleitet, sondern von der babylonischen Handlungsweise dominiert. Das Ich ist durch die Macht der Sünde gleichsam entthront worden. Es ist unfähig, das Reich seiner Gedanken, Gefühle und Triebe unter Kontrolle zu halten – es zu regieren.

In Bezug auf geistliche Belange tappen in Babylon befindliche Christen völlig im Dunkeln. Der Heilige Geist hat sich zurückgezogen, darum fehlt ihnen das nötige Licht. Wie der König Zedekia die leiblichen Augen verlor, so haben sie ihre geistlichen Orientierungsorgane – die inneren Augen – verloren (Mt 6,22). Sie sind blinde Könige, entthronte Könige in ehernen Ketten. Die ihnen untergebenen Persönlichkeitskräfte haben keinen kompetenten Herrscher mehr. Daher werden sie von fremden Mächten – den babylonischen Tyrannen – beherrscht und gezwungen.
Unter solchen Bedingungen gibt es im Persönlichkeitskern der Christen weder Ordnung noch Frieden noch geistliche Identität. Auch sie werden wie jenes Stück Holz von den Strömungen Babylons orientierungslos davon getrieben.

5. Der Missbrauch der Intelligenz

Ein älterer Jude ergreift das Wort: Der Missbrauch unserer Intelligenz schmerzt mich ebenso wie der Verlust des Königs“, beteuert er. „Ich war stolz auf meine drei Söhne Hananja, Mischael und Asarja. Sie waren nicht nur schön von Gestalt, sondern begabt, weise, klug und verständig (Dan 1,4). Ich ließ sie studieren und hoffte, dass sie den König Judas einmal beraten würden“.
Der immer noch vornehm wirkende Vater seufzt tief. „Und was musste ich erleben?“, fährt er stockend fort. „Der oberste Kämmerer Nebukadnezars, Aschpenas, hat sie mir schon bei der ersten Deportation[ii] aus dem Hause geraubt. Und nicht nur sie; fast alle begabten, tüchtigen und fähigen Leute – Israels Elite, unseren Stolz, unsre Zukunft – hat er mit nach Babel genommen“.

Der babylonische Aufseher unterbricht ihn selbstbewusst mit den Worten: „Du hast recht, Jude. Eure Intelligenz ist hervorragend. Die können wir in Babel sehr gut gebrauchen. Aber… hast du deine drei Söhne nicht schon irgendwo in Babel entdeckt?“
Der Vater steht erregt auf und beginnt sich den Bart zu raufen. „Ja, ich habe sie in Babel gesucht und auch gefunden“, stößt er aus. „Oh, hätte ich es nur nicht getan! Im Regierungspalast Nebukadnezars fand ich sie – zusammen mit Daniel, der die Weisheit eines Königs besitzt. Ja, es geht ihnen rein äußerlich glänzend. Sie haben Karriere gemacht. Meine Söhne wollten mich in ihren Villen aufnehmen. Aber…“. Er schaut um sich und ruft entschlossen: „Ich bleibe bei euch, Brüder! Ich will mit euch die Schmach Israels tragen, statt im Regierungsviertel Babels wohnen zu müssen. Ich kann es nicht mit ansehen, meine Brüder: Israels Elite, seine Intelligenz steht unserem Unterdrücker zu Diensten. Nebukadnezar hat rasch erkannt, dass ‘sie in allen Sachen zehnmal klüger und verständiger sind als alle Weisen in seinem Reich’(Dan 1,20). Nun spannt er sie ein; nun missbraucht er sie für seine Machtgelüste, seinen Welteroberungs-Wahn. Es bricht mir mein Herz. Wann, o Gott, gibst du uns Juden unser Reich, unseren eigenen König zurück?“
Der Babylonische Aufseher springt auf und ruft: „Das geht zu weit, Jude! Wenn du rebellierst, bringen wir dich um. Wir haben die Gewalt über euch. Ihr müsst uns gehorchen und dienen – samt eurer respektablen Intelligenz, verstehst du! Wir sind die Sieger und ihr seid die Besiegten“.

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Bei Christen, die in Babylon leben, wird ebenfalls die glänzendste Begabung von Satan missbraucht. Weil im Reich ihrer Persönlichkeit Gottes Geist nicht vorherrschend ist, regiert ein fremder Geist in ihrem Herzen. Die hervorragende Gabe der Intelligenz wird jetzt dazu eingesetzt, um Gottes Wort, seine Autorität und sogar seine Existenz in Frage zu stellen. In Babylon herrscht die Diktatur der reinen Vernunft. Sie bemächtigt sich der Literatur, der Medien, der Kunst, des Bildungswesens, ja sogar der theologischen Lehrstühle und der Kanzeln.
Christen, die sich bereits willig von Jesus Geist leiten ließen, sehen zwar ihr Dilemma und leiden darunter, wie damals die Juden. Aber in Babylon ist ihr Ich in der Gefangenschaft. Ihr Geist wird von den Kräften der Seele – Vernunft, Gefühl und Wille – beherrscht. Wie vor ihrer Bekehrung tun sie wieder den Willen des Fleisches und der Vernunft (Eph 2,3). Auf ihre fatale Situation können sie jedoch in zweifacher Weise reagieren: Entweder sie passen sich weiterhin dem babylonischen Denk- und Lebensprinzip an oder aber… sie schreien wieder zu Gott – wie jener Jude – und beginnen auf Befreiung zu beten.

6. Die eigenen falschen Propheten

Die eigenen falschen Propheten vergrößern unser babylonisches Elend noch viel mehr“, stößt jetzt ein dunkelhäutiger Gefangener seufzend hervor. „Ich bin Ebed-Melech, der Mohr. Wie ihr wisst, konnte ich den Propheten Jeremia in letzter Minute aus dem Brunnen ziehen und vor dem Tode retten. Nach Gottes Zusage habe ich zusammen mit euch mein Leben wie eine Beute davongebracht (Jer 39,18). In Jerusalem konnte Jeremia den falschen Propheten – wenn auch unter Lebensgefahr – noch entgegentreten. Doch hier in Babylon haben diese Verführer freie Hand. Sie haben sich dem babylonischen Wesen und Geist bereits angepasst. So betreiben sie die in Babylon übliche freie Sexualität mit den Frauen ihrer Nächsten (Jer 29,23). Durch ihre Lügenbotschaften beruhigen sie unsere Gewissen und ermutigen uns, so gesetzlos wie sie selber zu leben. Sie predigen, dass Gott uns gnädig sei, ohne dass wir Buße tun, um sein heiliges Wort zu befolgen“.

Während der letzten Worte Ebed-Melechs hat der Priester sich vom Boden erhoben. Jetzt reckt er wie ein Prophet seine Hand aus und sagt: „Brüder, ich möchte Ebed-Melechs Rede unterstützen. In Jerusalem habe ich Jeremia leider auch nicht geglaubt, sondern seinem Dienst widerstanden. Aber als ich auf dem Wege hierher am Verdursten war, da erkannte ich, dass Gott durch ihn zu uns sprach. Daraufhin habe ich meine Sünde bereut und Gott um Gnade gebeten. Aber die meisten meiner Brüder hier in Babel verachten Jeremia weiterhin und hören nach wie vor gerne Lügen (Hes 13,19). Vor ihnen warne ich euch. Denn Propheten, die nur Gutes weissagen und nicht zur Umkehr rufen, sind zumeist falsche Propheten“.

„Der Herr segne dich! Bruder“, ergreift Ebed-Melech wieder das Wort. „Du ermutigst mich, euch jetzt folgenden Bußruf aus Jeremias Brief zu zitieren: ‚So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: Lasst euch durch die Propheten, die bei euch sind, nicht betrügen. Wenn ihr mich aber von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr!‘ (Jer 29,13.14).

Gott erwartet, dass wir uns demütigen, dass wir sein Angesicht aufrichtig suchen. Erst dann, hört ihr! erst dann wird er sich von uns finden lassen. Eine Rückkehr ins Gelobte Land ohne Umkehr gibt es nicht. Auch ich sage euch: Die billige Gnade ohne Buße lehren nur falsche Propheten!

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Christen im geistlichen Ausstand lehnen ebenfalls Buß- und Gerichtspredigten ab. Babylon ist das Gelobte Land der falschen Propheten. Seine Bewohner werden routinemäßig getröstet und bedingungslos seliggesprochen. Prediger, die von einer ewigen Verdammnis oder gar von der Hölle reden, werden der Angstmacherei bezichtigt und ausgegrenzt. Man dürfe aus der Frohbotschaft keine Drohbotschaft machen, wird ihnen unterstellt. Kranken und Sterbenden müsse man in jedem Falle den Himmel zusprechen.

Bedingungen für ihre ewige Seligkeit, wie Reue und persönlichen Glauben, gäbe es im Neuen Bund nicht, so wird mit Nachdruck gelehrt. Wenn Gott die Liebe ist, dann könne er doch niemanden ewig verdammen. Und für absolut Verstockte gäbe es zudem noch Rettung in fernen Äonen.

So und ähnlich argumentieren im geistlichen Babel die falschen Propheten. Ihre Sprache ist weich und geht sanft ein. Aber sie verführen das Volk, das sich gerne besänftigen lässt und sich doch nicht ändern will. Denn sie verhindern durch ihre Lügenpredigt, dass die Menschen vor dem heiligen Gott und vor ihrer Sünde erschrecken. Daraufhin unterlassen diese es, sich ihrem Retter, Jesus Christus, bußfertig zuzuwenden und ihre Begnadigung konkret zu erleben. Menschen ohne Jesus im Herzen werden einst zu hören bekommen: Ich kenne euch nicht!

Mancherorts wird im Babylonischen Ausstand versteckt oder offen gelehrt, für Christen sei es unmöglich, jemals vom Glauben abzufallen und verlorenzugehen. Durch diesen falschen Trost wird suggeriert: Im Geiste zu wandeln sei zwar gut und richtig, aber nicht erforderlich zum ewigen Heil. Dabei unterschlägt man, dass Paulus ausdrücklich betont: „Denn wenn ihr nach dem Fleische lebt, dann werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, dann werdet ihr leben“ (Rö 8,13).


7. Gottes Schweigen in Babel

„Gottes Schweigen in Babel, das empfinde ich hier als das Schlimmste“, meldet sich jetzt eine Jüdin zu Wort. „Ich habe in Kanaan viel gebetet. Dabei habe ich Gottes Nähe gespürt. Ihr sollt wissen, dass sich während der Belagerung Jerusalems eine Handvoll gottesfürchtiger Jüdinnen heimlich zur Fürbitte trafen. Wir glaubten an die Reden Jeremias und flehten zu Gott um eine Bußbewegung unter dem verblendeten Volk. Allerdings blieben wir im Untergrund. Wir hatten Angst, uns öffentlich zu Jeremias Botschaft zu bekennen. Trotzdem erlebte ich oft, wie wunderbar Gott Gebete erhört.

Hier in Babylon scheint Gott mir jedoch beim Beten sehr fern zu sein. Es kommt mir vor, als habe er sich mit einer Wolke verdeckt, dass kein Gebet hindurch kann (Klgl 3,44). Daher frage ich mich manchmal, ob es überhaupt Zweck hat, noch weiterzubeten? Hinzu kommt, dass ich von meinem Sklavendienst sehr abgespannt bin. Ein Glück, dass wir Juden an den Zerstreuungen der Babylonier teilnehmen können. So ziehe ich nach Feierabend eine nette Abwechslung vor – ihr versteht, um mich zu entspannen!“

„Es wäre sehr schlimm für uns als Volk Gottes, wenn wir nicht mehr beten“, ergreift Ebed-Melech wieder das Wort. „Wie anders können wir Gott von ganzem Herzen suchen, wenn nicht im Gebet. Und wenn wir ihn nicht ernstlich suchen, dann werden seine Nähe auch nicht mehr erleben. Wenn wir nicht rufen, wird er nicht antworten. Wenn wir schweigen, dann schweigt Gott auch. Aber die Folge würde sein“ – ruft Ebed-Melech beschwörend in die Runde -, „dass wir aufhören würden, Volk Gottes zu sein, dass wir in Babylon untergehen würden – wir würden im Heidentum für immer versinken…“

„Davor bewahre uns der allmächtige Gott, der Gott, den unsere Väter anriefen, der Gott, der Gebete erhört“, unterstützt ihn der ergraute Priester. „Hört, was uns der Gnädige und Allmächtige durch Jeremia sagen ließ: ‘So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels, zu den Weggeführten: Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohl geht, so geht’s auch euch wohl‘“ (Jer 29,7).

Hört ihr, Brüder und Schwestern: Wir sollen beten! Und wir müssen es tun. Nicht nur für uns, sondern auch für Nebukadnezar und seine Beamten – auch für diesen Aufseher hier! Unsere Hilfe kommt vom lebendigen Gott. Er kann sich sogar unseren Feinden offenbaren. Glaubt es, Brüder: Die Stunde unserer Heimkehr nach Kanaan kommt bestimmt. ‘Denn der Herr verstößt nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte. Denn nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschen’“ (Klgl 3,32-33).

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Die Christen im Heiligungs-Exil sollten ebenfalls erwachen und beten! Es mag sein, dass dunkle Wolken der Schuld sie von Gott trennen. Wenn sie zu ihm flehen, wird er die Wolkenberge durch den Wind seines Heiligen Geistes fortblasen. Sie sollten die weltlichen Zerstreuungen Babylons  (1 Joh 2, 15-17) fahren lassen und für ihre Peiniger beten. Sie sollten glauben, dass der Herr auch gestrauchelte Christen nicht ewig verstößt, sondern sich ihrer wieder erbarmen wird nach seiner großen Güte. Sie sollten vertrauen, dass er sich wieder finden lässt, wenn sie ihn von ganzem Herzen suchen, dass er hören wird, wenn sie zu ihm rufen. Denn:

„Wo ist ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die übriggeblieben sind von seinem Erbteil; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er ist barmherzig. Er wird sich unser wieder erbarmen und unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen“ (Mich 7,18-19).
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­­­Ende des Bilanz-Gespräches einsichtiger Juden und Christen als ermutigender Heimkehr-Impuls


[1]  Die Verschleppung Judas vollzog sich in zwei Phasen. Im Jahre 597 v.Chr. erfolgte unter König Jojakim die erste Deportation, bei welcher auch die Genannten nach Babel entführt worden waren. 587 v. Chr. geschah unter Zedekia die endgültige Verbannung Judas ins Babylonische Exil.


 

 

Glaubens-Bekenntnis – endlich vollsändig

Unser persönliches Glaubens-Bekenntnis vom umfassenden Heil
durch: Christus für uns (V.2) –  in uns (3) – durch uns (4)   
zu singen nach der Melodie: Dir gebührt die Ehre und Anbetung

1. Dir gebührt die Ehre und Anbetung

Jesus, du verließt den Himmel,

wurdest Mensch in Raum und Zeit.

Dir gebührt die Ehre und Anbetung,

du kamst in das Weltgetümmel,

du entäußertest dich selbst – in Niedrigkeit.

Darum hat dich Gott erhöht, dich gekrönt mit Majestät;

vor dir beug ich meine Knie in Ewigkeit!

Weil der Name Jesus Christ über alle Namen ist,

muss einst jeder Mund bekennen: DU BIST HERR!

2. Dir gebührt die Ehre und Anbetung

Du nahmst auf dich meine Sünde,

du trugst sie hinweg ans Kreuz.

Dir gebührt die Ehre und Anbetung,

durch dein Blut ich Gnade finde,

ganz gereinigt ist mein Herz; die Schuld ist fort!

Darum bete ich dich an,

du für mich durchbohrtes Lamm.

Du bist würdig, anzunehmen Lob und Preis.

Du hast mich mit Gott versöhnt,

mit Gerechtigkeit gekrönt,

mich am Gnadentisch verwöhnt – du bist so gut

3. Dir gebührt die Ehre und Anbetung

Du bist mit mir eins geworden,

auf dem Hügel Golgatha.

Dir gebührt die Ehre und Anbetung,

mit dir bin auch ich gestorben, habe Teil an deinem Tod.

Mein alter Mensch starb mit dir am Kreuzespfahl

er verdiente diese Qual; mit dir fand auch er sein Grab:
Ich bin befreit!

Für die Sünde bin ich tot.  Darf nun heilig sein für Gott,

folge Jesus allezeit in Freud und Leid.

4. Dir gebührt die Ehre und Anbetung,

mit dir bin  ich auferstanden – habe Teil an deinem Sieg.

Dir gebührt die Ehre und Anbetung,

ich bin frei von Satans Banden,

sage Nein zur Lust der Welt; ich diene Gott!

Ihm gehör ich für und für – was ER sagt, ist Auftrag mir.

Jesus lebt und wirkt in mir – als Gott und Herr.

Ihn zu ehren ist mein Ziel, Zeuge sein mein Lebensstil,

Wachend warte ich auf ihn – bis er erscheint.

(Text: Herbert & Gretel Masuch)

Warum Martin Luther sich mehr „Pfingstprediger“ wünschte

Martin Luther wollte nicht nur die Missstände in der Kirche, sondern vor allem die im Leben ihrer Glieder erneuert wissen. Darum drang er in Wort und Schrift auf die geistliche Erneuerung unter den Christen. Das begriffen bei weitem nicht alle. Sogar unter Luthers Predigthelfern begannen sich die Geister zu scheiden. Nicht wenige machten zwar bei der Kirchenreformation eifrig mit, waren aber mit Luthers Weckruf zur Lebens-Reformation nicht einverstanden. Mit ihrem Protest bekam es der Reformator bald spürbar zu tun.

Unter den ersten protestantischen Pfarrern entstand eine opponierende Richtung. Ihre Anhänger wollten zwar Vergebungsgnade, nicht aber eine Änderung des Lebensstils predigen. Luther nannte sie gelegentlich „meine Antinomer“, d.h. Gegner der Gebote Gottes. Er hatte es schwer, sich gegen diese Art Protestanten durchzusetzen und den Trend zur billigen Gnadenpredigt in der Kirche zu stoppen. Das folgende Zitat zeigt, dass der Kampf um die Lebens-Reformation schon zu Luthers Zeit entbrannte:

„Meine Antinomer predigen sehr fein und mit rechtem Ernst von der Gnade Christi, von der Vergebung der Sünden. Aber dies consequens (= das, was daraus folgt) fliehen sie wie der Teufel, dass sie nämlich den Leuten sagen sollten vom dritten Artikel der Heiligung, das ist vom neuen Leben in Christo. Denn sie meinen, man solle die Leute nicht erschrecken noch betrüben, sondern immer tröstlich predigen von der Gnade und Vergebung der Sünden…

Sie weigern sich, ermahnend zu predigen. Sondern so sagen sie: ‚Hörest du, bist du ein Ehebrecher, ein Hurer, ein Geizhals oder sonst ein Sünder, glaubest du nur, so bist du selig, darfst dich vor dem Gesetz nicht fürchten, Christus hat alles erfüllet‘…

Sie sind wohl feine Osterprediger, aber schändliche Pfingstprediger, denn sie predigen nichts… von der Heiligung des Heiligen Geistes, sondern allein von Christi Erlösung aus der Schuld unserer Sünden. Dabei hat Christus [uns] Erlösung von Sünden und Tod erworben, damit uns der Heilige Geist soll zu neuen Menschen machen aus dem alten Adam. Denn Christus hat uns nicht allein gratiam, die Gnade, sondern auch donum, die Gabe des Heiligen Geistes, verdienet, dass wir nicht allein Vergebung der Sünden, sondern auch Aufhören von den Sünden hätten…

Aber unsere Antinomer sehen nicht, dass sie Christum predigen ohn‘ und wider den Heiligen Geist, weil sie die Leute wollen lassen in ihrem alten Wesen bleiben und gleichwohl selig sprechen. Doch die Konsequenz des Evangeliums will, dass ein Christ soll den Heiligen Geist haben und ein neu Leben führen oder wissen, dass er keinen Christum habe“.

Soweit Martin Luther.  (Ausführlich im Buch-Verzeichnis des Originals, Seite 26)
Leider hat sich die Einstellung der „Antinomer“ schon in der jungen protestantischen Kirche weitgehend durchgesetzt. Die „Pfingstprediger“ wurden häufig verkannt und unterdrückt. Die „Gnadenprediger“ dagegen erstarkten im sakramentalen Konsens.
Aber Gott ließ die erweckten Lutheraner nicht in der Wüste. Zunehmend haben evangelische Laien und Pfarrer auch die Botschaft der Lebens-Reformation erkannt, gelebt und oft sogar als Verfolgte bezeugt. Als dann die interkontinentale Auswanderung einsetzte, begannen sie im Ausland Gemeinden zu gründen. Erweckungen haben die Lebens-Erneuerung, welche ganze Landstriche erfasste, weltweit multipliziert. Wie ein Flächenbrand hat Christi Siegesbotschaft viele Menschen aus quälenden Bindungen in ein befreites, frohes Christsein geführt.
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Diesen Luther-Exkurs habe ich meinem unveröffentlichten Buchmanuskript, Lebens-Reformation – Dynamik im weltweiten Protestantismus, entnommen. Geplant ist nun angesichts der aktuellen Bedarfslage eine themenweise Veröffentlichung in unserem bereits aktiven Christus-Central-Blog .  Und zwar in gedruckter Form und zugleich von meiner Frau Gretel gelesen.

Dankbar sind wir, wenn Leser dieses Artikels mit dafür beten und/oder uns durch einen Zustimmungs-Gruß ermutigen würden. Shalom

Geist oder Fleisch als Daseins-Prinzip? – Gute Nachricht für Christen!

Geist (Mordechai) oder Fleisch (Haman) als Daseinsprinzip?

– Gute Nachricht für Christen! Bibeltext: Esther 9,1-19

Bekannterweise werden wir im Buch Esther über einen Regierungs-Umsturz im persischen Königreich des Ahasveros informiert.  Dabei lernen wir die chaotische Leitungs-Struktur auf der königlichen Chefetage kennen. Wir erleben gleichsam mit, wie die höchsten Staatsdiener, Haman und Mordechai auf Befehl des Königs ausgetauscht worden sind.

Der damalige Regierungs-Umsturz hat sich laut dem biblischen Bericht geschichtlich ereignet. Diese Sichtweise vertritt auch der Autor der Hänssler/Telos-Publikation „Tote können nicht sterben“, Major Thomas. Darin unternimmt er eine symbolische Auslegung des gesamten Esther Buches. Aus seiner eher allegorischen Sicht ist König Ahasveros für alle Menschen als Autoritäts-Symbol für ihr Persönlichkeits-Reich (Geist-Seele-Leib) zu betrachten, in dem sie wie Könige herrschen.  Weil Christen sich bewusst für den Einfluss des Heiligen Geistes entschieden haben, ist dies mit des Ahasveros Wahl für Esther als Königin zu vergleichen. Letztlich haben sie sich damit zugleich für die Regentschaft Mordechais als dem Beispiel für Christi Herrschaft in ihnen entschieden.  Christen sind folglich Leute, die Jesus bewusst in ihr Herz aufnahmen und ihn generell als ihren Gott und Herrn akzeptieren.

Ermutigend bemerkt Major Thomas zu diesem Gleichnis-Verständnis: „Wer wirklich daran interessiert ist, den Schlüssel zu einem siegreicheren Leben zu finden, um „mehr als ein Überwinder“ zu werden – der sollte weiterlesen“.

Ich selber schließe mich seiner symbolischen Sichtweise an. Daher möchte ich jetzt einige Personen und Ereignisse gleichnishaft für unser Christsein auslegen. Ebenso haben es auch Jesus und die Apostel mit Bibelberichten häufig getan.

Im heutigen Tagestext werden zwei wichtige Grundwahrheiten für einen erfolgreichen Glaubenskampf aufgezeigt. Als erstes erfuhren die glaubenden Juden in Ahasverus‘ Königreich, dass Gott ihnen eine starke Siegeskondition in ihren Herzen verlieh. Er traute es ihnen zu, dass sie selbst nun befähigt waren, den Sieg über Hamans „Judenverfolger“ in Gottes Kraft zu erringen. Daher hatte er ihnen nicht nur den Festjubel, sondern ein mutiges „Hand anlegen“ an die bereits entmachteten Feinde erlaubt und sogar befohlen.

Die zweite Grundwahrheit in Vers 2 lautet: Was Gott seinen Erlösten zutraut und befiehlt, das können sie auch erfüllen! Die empfangene Sieges-Kondition motivierte die befreiten Juden, sofort mit dem großen Erneuerungswerk in ihrem Land zu beginnen.   Ich zitiere ab Vers 2: “Daher „versammelten sich die Juden in ihren Städten in allen Ländern des Königs Ahasveros, um Hand anzulegen an die, die ihnen übelwollten… Und niemand konnte ihnen widerstehen“. Welch eine herrliche Wende vom zunächst noch zaghaften Sieges-Glauben zum konkret erlebten Siegesaufbruch im ganzen Land war ihnen möglich geworden!

     Angewandt auf unseren heutigen Tagestext von Esther 9 geht es nun darum, die neuen Lebens-Grundsätze Mordechais und Esthers auch im befreiten Königreich unserer Herzen nach Jesu Vorbild zu realisieren. Auch dabei ist folgender Vergleich zu beachten: Laut Kapitel 7 wurde das unterdrückte Volk Israel von Gott zwar kampflos befreit, aber dieser Sieg war damit im großen Königreich noch nicht praktisch vollzogen. Folgendes musste erst noch geschehen, damit der geschenkte Sieg sich überall konkret auswirken konnte:

1. Die befreiende Nachricht vom gelungenen Regierungs-Umsturz musste allen Israeliten überzeugend verkündigt werden. Dafür war ein Zeitspielraum vonnöten.

2. Die Tatsache, dass sie befreit waren und sogar Vollmacht über ihre Sklaventreiber besitzen, musste tief in die Herzen der befreiten Israeliten dringen. Diesen Herrschaftswechsel zwischen Haman und Mordechai, Fleisch und Geist, zwischen dem alten und dem neuen Menschen galt es, im Glauben fest zu ergreifen und zu vertiefen. Dazu gehört der herrliche Durchblick: Gottes souveräner Austausch von Mordechais Todesgalgen zum Herrschaftsthron Christi kommt jedem Glaubenden vollgültig zugut. Das bedeutete mehrt als die Gewissheit, begnadigt zu sein. Es bedeutete damals für Israel: Wir sind autorisiert, Haman und seinen Despoten zu widerstehen, ja diese sogar zu „beseitigen“.

Übertragen auf den Glaubenskampf in Neuen Bund bedeutet das: Durch Jesu Kreuzestod und Auferstehung sind alle Christen autorisiert, Satan, Sünde und Welt mit ihren Zwängen siegreich zu widerstehen!  Mit dem Apostel Paulus dürfen sie sich ohne Abstrich „mit Christus für die Welt und ihre Lust als mit-Gekreuzigte“ halten. Da Christus in ihnen lebt, ja „ihr Leben“ ist, dürfen und sollen sie sich mit ihm auch als mit-Auferstandene betrachten. Das wiederum befähigte sie, ihrem neuen Erlöser und Herrn, nämlich Mordechai, als dem „Christus in ihnen“, ungeteilt verfügbar zu sein. Christus selbst kann und will fortan seine Werke in ihnen und durch sie vollbringen. Dadurch werden nicht sie selbst als die „Wohltäter“, sondern Gott und Christus durch sie als eigentlicher Vollbringer gelobt und gepriesen.

Übungsfelder für praktische Glaubens-Hingabe und Glaubens-Sieg bietet der Alltag in den Familien, am Arbeitsplatz, sowie in der Öffentlichkeit. Wie wichtig dabei Christi helfende Gegenwart ist, verspürte ich bei meinem ersten Versuch, in der Mitternachtsmission tätig zu sein. „Noch ein Wort und du liegst in der Gosse hier“, so reagierte ein Mann empört auf mein Traktat-Angebot. Nur durch Christi Beistand habe ich weitere – darunter auch positive – Kontaktversuche in dieser Nacht unternommen.                 

Bei einer symbolhaften Übertragung der königlichen Autorität auf unser Leben ist folgendes zu beachten: Unser Besitz-Anrecht an Christi Siegeskraft und Vollmacht besteht nur dann, wenn wir IHN durch echte Herzenshingabe als „Mordechai in uns“ und damit auch als Herrn und Gebieter unseres ganzen Persönlichkeits-Reiches akzeptiert haben. Andernfalls wäre der böse Hamann noch unser Herr.

Im Hinblick auf unser befreit sein vom Sündenzwang sei noch auf folgende Gefahr hingewiesen: Jeder Siegesbericht lädt förmlich dazu ein, unter den Siegern nach den „Glaubenshelden“ zu suchen. Ganz nüchtern wird im Text jedoch dazu erwähnt: „denn die Furcht vor Mordechai war über sie gekommen“. Bei dieser Furcht waren damals neben den besiegten Feinden auch die Juden selber, also ihre Besieger, gemeint. Diese töteten zwar mutig auch die zehn Söhne Hamans. Aber als der eigentliche Held wird der im Königreich des Ahasveros wirkende Mordechai in seiner Größe und Vollmacht beschrieben.

Wichtig für Christen ist ferner die Aussage in Vers 6, dass Mordechai „in allen Ländern des Königreiches immer mächtiger wurde“. Für die Erneuerung seines großen Königtums brauchte er folglich genügend Zeit. Auch der Hinweis in Vers 7-10: „Dazu töteten sie die zehn Söhne Hamans, des Judenfeindes,“ bestätigt diese häufig übersehene Tatsche. Die bei der Wiedergeburt begonnene „Re-formation“ unserer arg lädierten Persönlichkeit ist eben kein bloßes „Tagesgeschäft“, sondern ein uns oft beschämender lebenslanger Prozess.

Das möchte ich abschließend durch ein persönliches Erlebnis als Bibelschüler bestätigen: Während ich in der Warteschlange zur „Baseler Messe“ voranschlich, nahte sich mir von außen ein Mann mit seiner Eintrittskarte „zum halben Preis!“ Ich überdachte den Vorteil der Zeit- und Geldersparnis des „harmlosen“ Deals und tauchte bald bei den „legalen“ Messebesuchern unbemerkt unter. Am Abend erwähnte ich unter meinen Klassenbrüdern, welch glückliche „Zu-fälle“ es doch unverhofft gibt. Einer von ihnen wies mich nachdenklich darauf hin, dass der Betrag meiner Eintrittskarte in der Abendkasse der Messe sicherlich fehlte. Gottes Geist beziehungsweise „die Furcht Mordechais“ bewirkten in dieser Nacht, dass ich am nächsten Tag einen anderen Klassenbruder eine „legale“ Messekarte für mich kaufen ließ. Diese ist dann ungenutzt im Papierkorb gelandet. Auch als inzwischen fast Dreiundneunzigjähriger möchte noch mehr als bisher darauf achten, dass der göttliche „Mordechai“, Jesus, den 1. Platz in meinem Herzen besitzt. Nur so wird meine – und auch Ihre Lebens-Reformation, lieber Zuhörer, sehr gute Fortschritte machen.  

Von der Befreiung der Selbst-Verdamnis unseres ICH

Das entscheidende Ereignis

Schon zu Beginn einer Zeltmission kam das relativ junge Ehepaar zu einer Aussprache. „Auch ich möchte den Christus annehmen, an den mein Mann glaubt“, bekannte frei und offen die Frau. Es war mir eine Freude, ihr in Gegenwart ihres Mannes den Weg zu Christus zu zeigen.
Wie es zu dem ungewöhnlichen Bekenntnis kam, begriff ich erst, als ich die näheren Umstände erfuhr. Ihr Mann, der jetzt strahlend neben ihr saß, war noch vor zwei Jahren ein hoffnungsloser Trinker. Für den Haushalt und die Kinder fehlte das Geld. Zwischen den Eheleuten gab es oft Streit. Die Ehe drohte zu scheitern.
Nach einer Entziehungskur beim Blauen Kreuz stellte die junge Frau eine seltsame Veränderung bei ihrem Ehemann fest. Es war fast nur eine Nebenwirkung, dass er nun nicht mehr trank. Sein Wesen hatte sich spürbar verändert. Freundlichkeit und Rücksichtnahme stellten sich ein. Im Haushalt mangelte es an nichts mehr und das Zusammenleben wurde so nett und angenehm wie niemals zuvor.
Die anfängliche Skepsis der Frau war bald einer echten Neugier gewichen. Wer oder was hatte aus ihrem Mann einen neuen Menschen gemacht? Er erzählte ihr von seiner Entscheidung für Christus. Im Blaukreuzheim hatte er seinen Befreier, Jesus, gefunden. Zunächst verstand seine Frau von diesen Dingen nicht viel. Doch die Taten, predigten so laut, dass es fast keiner Worte bedurfte. An dem Jesus ihres Mannes war ohne Zweifel etwas daran. Bald merkte sie, dass ihr selber die Freude und Kraft dieses Christus noch fehlte. Und als sie im Zelt den Ruf zur Entscheidung vernahm, da war es nicht mehr schwer, diese Entscheidung zu treffen.

Das alte und das neue Ich
Die Geschichte dieses Mannes macht deutlich: Eine echte Bekehrung verändert das Leben! Gott zielt immer darauf ab, unser praktisches Verhalten, unser Denken und Tun zu erneuern. Sich zu ändern, das hatte der Trinker oft genug auch schon selber versucht. Aber er hatte es nie oder nur selten geschafft. Darum hat er mit einer Ich-Verdammnis in seinem Gewissen leben müssen.  Hinzu kam die bohrende Frage: warum ist mein Ich zu schwach, um die Alkoholsucht zu überwinden?
Die befreiende Antwort lautet: Mit Christus erhältst Du gleichsam ein neues Ich. Der Trinker lebte bislang ohne Jesus Christus. Solange sein Retter und Befreier „draußen“ blieb, geschah jeder Besserungsversuch in seiner eigenen Kraft. Dann aber nahm er Jesus Christus auf in sein Herz (Jo 1,8). Mit Christus kam auch dessen göttliche Kraft in sein Leben. Christus wurde gleichsam zu einem Teil seiner Persönlichkeit und damit auch seines Ich – dem Gesinnungs-ICH des neuen Menschen. Wir können „Christus in uns“ folglich als den „neuen Menschen“ in uns bezeichnen (Gal 2,19-20), für den es keine Verdammnis mehr gibt (Röm 8,1-2).